Ich stehe ja auf komplett verrückte Urlaube. Wie ich auf die Idee gekommen bin, mal eine Zeit in einem Muay Thai Camp in Thailand zu verbringen, weiß ich gar nicht mehr. Aber irgendwie bin ich online auf diese Möglichkeit gestoßen. Und war sofort von der Idee infiziert. Ein paar Wochen Muay Thai in Thailand, das klang einfach nur krass.
Meine eigenen Kampfsporterfahrungen liegen (gelinde gesagt) ein paar Jahre zurück. Karate als Jugendlicher, später K1 und MMA und immer wieder mal ein bisschen Muay Thai – aber eher sporadisch nie in dieser Intensität, wie es mich in einem Camp erwarten würde.
Warum ich in der Ich-Form schreibe? Zu der Zeit, als ich diesen Aufenthalt geplant hatte, gab es Nicole in meinem Leben noch gar nicht. Ich hatte vor, den Thailand-Aufenthalt alleine durchzuziehen.
Als Nicole dann in mein Leben und ich mit ihr zusammenkam, erzählte ich ihr von meinem verrückten Vorhaben. Gebucht hatte ich da bereits alles. Und hier zeigt sich, warum ich diese Frau so liebe: „Ich komm mit“ war die spontane Reaktion. Kampfsporterfahrung? Keine. Eine Ahnung, worauf sie sich da einlässt? Wohl auch nicht…
Tja, und dass das nicht nur so dahingesagt war, wurde mir spätestens klar, als wir im Flieger nach Thailand saßen.
Nach zwei Tagen in Bangkok trafen wir auch schon im Tiger Muay Thai Camp in Phuket ein. Wir hatten uns online ein Bild gemacht, aber die Realität fängt das natürlich nur ungenügend ein.
Thaiboxen pur – Die „Soi Combat“ in Phuket
Erst einmal kurz zur Lage. Das Camp liegt an einer Straße, ein paar Kilometer lang, die komplett auf Fitness und Kampfsport ausgerichtet ist. Die komplette Straße ist gesäumt von Kampfsportschulen, Crossfit Gyms, Massagesalons, Cafes, Restaurants, Kampfsport-Shops, Proteinshake-Buden, kleinen Ressorts, Apotheken, ein paar kleinen Supermärkten etc. Wer hier herkommt, kommt zum Trainieren – eine außergewöhnliche Atmosphäre! Alle paar Meter kommst du an einem Gym vorbei, wo trainiert wird, ständig laufen Jogger an dir vorbei. Einer trainierter und muskulöser als der andere. Die ganze Straße hat diesen besonderen Vibe von Schweiß, Blut und Tränen… einfach grandios!
Auf der Straße gibt es also alles, was man für den täglichen Bedarf braucht. Für größere Anschaffungen muss man natürlich etwas weiter fahren, aber ansonsten ist alles fußläufig oder mit dem Moped in wenigen Minuten erreichbar.
Unser Tipp für’s Abendessen: Das Thai Thai. Ein kleines, von einer sehr (!) charmanten und sympathischen Thailänderin geführtes Restaurant mit wirklich exzellentem Essen. Die Preise sind thailandtypisch spottbillig – für 4 Euro wird man zu zweit pappsatt inklusive Getränke.
Ach ja, und ca. 200m vom Camp entfernt gibt es ein Acaii Café mit einer wirklich leckeren Acaii Bowl. Wir haben fast jeden Tag nach dem morgenlichen Training dort gegessen.
Das Tiger Muay Thai Camp
Tiger ist das größte Muay Thai Camp in Thailand und sehr international ausgerichtet. Hier trifft man Sportler und Kämpfer aus aller Welt. Wir haben mit Australiern, Amerikanern, Deutschen, Russen, Mexikanern und natürlich Thailändern trainiert, wobei der überwiegende Anteil der Camp-Besucher aus dem Ausland kommt. Für Thais dürfte es einfach zu teuer sein.
Im Empfangsbereich wird man eingecheckt und kann noch die ein- oder andere Annehmlichkeit dazubuchen (z.B. Vollpension, eigenes Equipment leihweise oder gekauft etc.). Auch wer ganz ohne Ausrüstung kommt, kann sich im Tiger Shop mit gebrandetem Equipment komplett ausstatten. Allerdings zu gepfefferten Preisen. Wer auf das Tiger-Logo keinen Wert legt, findet die Soi Combat rauf und runter deutlich günstigere Ausrüstungsläden.
Das Camp besteht aus mehreren überdachten Trainingsflächen, einigen Boxringen, einem gut ausgestatteten Indoor-Gym sowie den Zimmern. Die Zimmer sind in verschiedene Preisklassen aufgeteilt, wobei man selbst bei den Premium-Unterkünften kein Premium nach europäischem Standard erwarten sollte (keine Steckdose im Bad, Dusche plätschert mitten im Badezimmer vor sich hin, Betten eher mäßig bequem, etc.). Die Standard-Räume sind jedenfalls eher Hostel-Niveau. Wer es hier mehr als ein paar Tage aushalten will, sollte hart im Nehmen sein.
Wir haben uns nach einer Nacht in einer der „Premium“-Unterkünfte doch entschieden, auf eine externe Unterkunft auszuweichen. Dank Booking.com war 8 Minuten fußläufig entfernt schnell ein kleines hübsches, sauberes und komfortables Ressort gefunden. Dort hat man alles, was man braucht inkl. Pool, Klimaanlage und Restaurant.
Bei Gesprächen mit anderen Camp-Teilnehmern habe ich erfahren, dass viele die externen Unterkünfte vorziehen. Ich habe mir vorgestellt, dass ich durch das direkte Mitbuchen der Räume im Camp näher am Geschehen bin und mehr „Camp-Feeling“ mitkriege. Dem ist aber nicht so – die Ressorts sind sehr nah beim Camp und auch dort wohnen fast ausschließlich Sportler. Für Atmosphäre ist also auch da gesorgt – vor fast jedem Zimmer hängen Bandagen und Handschuhe zum Trocknen…
Ach ja, zum Camp gehören auch ein großes Restaurant sowie mehrere kleine Bars. Dort kann man sich je nach gebuchtem Paket mit kostenlosem Wasser, Mineraldrinks, Proteinshakes und natürlich leckerem Futter versorgen. Das Essen ist wirklich gut und preislich ok – nicht so günstig wie sonst in Thailand, aber immer noch deutlich billiger als in den meisten anderen Urlaubsregionen.
Trainieren im Tiger Muay Thai
So, nun zum wichtigsten Aspekt: dem Training im Tiger Muay Thai. Deswegen sind wir schließlich hier.
Im Camp wird alles angeboten, was das Spotlerherz höher schlagen lässt: Muay Thai-Kurse in verschiedenen Niveaus, Muay Boran, Boxen, Kickboxen, MMA und Krabi Krabong, aber auch eine ganze Reihe an Fitnesskursen, Zirkeltraining, Crossfit und ähnliches. Da bleibt wirklich kein Wunsch offen.
Es gibt einen wöchentlichen Trainingsplan und wer wie wir das volle Paket gebucht hat, kann sich beliebig Kurse aussuchen. Morgens um 08:00 Uhr geht’s los, die letzten Kurse gehen bis ca. 18 Uhr. Wir haben meistens einen Muay Thai Kurs morgens und nachmittags gemacht oder eine Kombination aus Muay Thai und Fitness.
Es wird wirklich an alle Level gedacht: Egal, ob du zum ersten Mal einen Boxhandschuh anhast oder um in der UFC in den Käfig steigst, du wirst auf deine Kosten kommen.
Die Einheiten sind sehr herausfordernd – nicht vergessen, es hat ja auch noch über 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit wie… nun ja in Thailand ;-). Ich habe selten in meinem Leben so geschwitzt, vielleicht noch nie. Und wenn dann der Trainer nach 1,5h echt hartem Muay Thai noch verkündet, dass jetzt alle noch 1.000 Liegestütze machen, dann weiß man, warum man hergekommen ist…
Zusätzlich zu den Kursen kann man Einzelstunden bei den Muay Thai Coaches und den Personal Trainern buchen (oder sie sind bereits im Paket enthalten). Das lohnt sich wirklich, die Betreuung ist sehr individuell und die Lernkurve viel steiler.
Ach ja, die Coaches sind allesamt wirklich top – was leider nicht für ihr Englisch gilt. Am Anfang ist es sehr schwer zu verstehen, was der jeweilige Befehl nun heißt – einfach nachmachen, was die anderen machen. Nach ein paar Tagen weiß man, was gemeint war. Und dann plötzlich wird einem klar, dass „lai hu“ „right hook“ heißen soll. Von da an wird es leicht. Auf größere Gespräche würde ich mich trotzdem nicht freuen. Rumalbern und Spaß haben ist mit ihnen aber allemal drin.
Die Personal Trainer sind teilweise englisch- oder deutschsprachig. Da ist die Verständigung kein Problem. Die Trainingsqualität ist ähnlich hoch wie bei den Kollegen aus der Kampf-Abteilung.
Der BBQ Beatdown
Ein besonderes Highlight ist der monatliche BBQ Beatdown – eine große Grillparty im Camp inkl. Tournier. Wer möchte, kann sich für einen der Kämpfe anmelden und dann intensiv darauf hintrainieren, um dann wirklich einmal in Thailand in einem Muay Thai Ring zu stehen. Die Gegner werden natürlich entsprechend der jeweiligen Leistungsklasse ausgewählt.
Wer daran teilnehmen will (und nicht ohnehin schon zuhause intensiv trainiert), sollte aber mindestens 4 Wochen Trainingszeit einplanen. Sonst besteht die Gefahr, trotz Schutzausrüstung und „entschärfter“ Regeln (keine Ellbogen, keine Knie zum Kopf) ganz schön eins auf die Mütze zu bekommen.
Rund um’s Tiger Muay Thai Camp
Je nach Trainingsstand wirst du vielleicht nicht jeden Tag trainieren können oder wollen. Viele der Freizeitsportler, die ins Tiger kommen, werden 4-stündige Trainingseinheiten am Tag kaum gewöhnt sein und entsprechend mit saftigem Muskelkater belohnt werden. Da liegt der Gedanke nahe, mal einen Tag auszusetzen und was Anderes zu machen. Wir haben es so gehalten, dass wir 2-3 Tage die Woche Pause vom Camp gemacht haben. In dieser Zeit wird einem aber auch nicht langweilig.
Die Gegend rund um das Tiger Muay Thai Camp bietet so einiges. Damit man mobil bleibt und alles ausschöpfen kann, empfiehlt es sich unbedingt, ein Moped zu mieten. Das kann man direkt im Camp oder entlang der Soi Combat für wenige Euro am Tag tun (aber Achtung: Linksverkehr!).
Das bekannteste und naheliegenste Ziel ist der Big Buddha. Für Masochisten bietet Tiger regelmäßige Jogging-Trips den Berg rauf an – uns war das bei der Hitze allerdings doch eine Spur zu krass. Deswegen: Moped schnappen und rauf auf den Berg. Die Strecke ist sehr idyllisch durch Urwald und gewundene Bergstraßen (die auch schonmal recht „ursprünglich“ werden können). Die Belohnung: eine geile Aussicht und eine riesige Buddha-Statue, die man definitiv gesehen haben sollte.
Auch einige schöne Strände und umliegende Inseln sind mit dem Moped in max. 60min Fahrtzeit zu erreichen. Uns hat besonders die Insel Koh Bon gefallen. Hier gibt es noch den ursprünglichen, menschenleeren Strand, weißen Sand, überhängende Palmen und glasklares Wasser. Dafür ist die Anreise etwas komplizierter. Da es keinen offiziellen Verkehr gibt, muss man selbst am Strand von Rawai ein Boot chartern. Die Preise liegen dafür bei ca. 20 Dollar, können aber stark schwanken. Da ist Verhandeln angesagt. Es lohnt sich aber definitiv, mal 3 Stunden an dem Strand zu verbringen. Wichtig: Alles mitbringen, es gibt keine Infrastruktur (mehr) auf der Insel. Vor dem großen Tsunami gab es wohl ein Restaurant und ein Hotel, davon sind allerdings nur noch Überreste vorhanden.
Schließlich sind wir jede Woche 1-2x zum Tauchen gefahren. Das Angebot an seriösen und empfehlenswerten Tauchschulen ist in Phuket groß. Und die Preise enthalten in der Regel schon den Transfer vom und zum Hotel, also alles ganz entspannt. Getaucht wird dann z.B. an den Phi Phi Islands und anderen, recht bekannten (und teilweise auch gut besuchten) Tauchspots. Lohnt sich!
Lohnt sich das Tiger Muay Thai Camp? Unser Fazit
Die Zeit im Tiger Muay Thai Camp gehört sicher zu den ausgefalleneren Urlauben, die wir bisher so gemacht haben. Wer hier herkommt, sollte sich wirklich quälen wollen und Spaß daran haben. Sonst lohnt sich auch der Preis für das Camp nicht wirklich. Wenn du aber auf sowas stehst: hier findest du die komplette Erfüllung.
Ich persönlich fand es absolut großartig. Nicole hat vor allem die Fitnesskurse und die Private Trainings genossen. Gut möglich, dass das Tiger uns nicht zum letzten Mal gesehen hat…
Hallo
ich bedanke mich für den super Bericht über den “ Urlaub im Muay Thai Camp“ . Der Hinweis das ist kein normaler Urlaub,
sondern wirklich hartes Training, bei großer Hitze.
Das sollte jeder beachten, der sich für ein Muay Thai Camp entscheidet.
Nochmals ein Danke , dass ich diese Zeilen losen durfte.
friedel